Die 7 Todsünden im Change Management

Warum Change Management so häufig scheitert. Change Management ist ein allgegenwärtiges Thema in der Wirtschaft und Gesellschaft und sollte eigentlich inzwischen zum Standard-Handwerkszeug jeder Führungskraft gehören und im Zeitalter der immer schneller werdenden Veränderungen auch in der täglichen Praxis jeder Organisation normal sein.

Doch warum scheitern so viele Change-Projekte? Man geht davon aus, dass nur zwei von zehn Change-Projekten zu den gewünschten Ergebnissen führen. Viele Entscheider unterschätzen die Auswirkungen von Change-Projekten und ignorieren die softe Seite des Change, nämlich die der Menschen, der Werte und der Kultur. Change wird oft nur als pragmatische und strategisch-rationale Sache verstanden. Die Todsünden haben ihren Ursprung jedoch auf der soften Seite. Und genau daher scheitern leider so viele Changes.

Welche Todsünden gilt es zu vermeiden?

1. Keine klare Auftragsklärung

Wenn Du es eilig hast, gehe langsam – so lautet eine alte Weisheit, um nicht zu »stolpern«. In Change-Projekten wird oft viel zu schnell gestartet, meist schon bevor die Auftragsklärung sauber gemacht wurde. Was genau ist das Ziel, was ist ggf. das Nicht-Ziel? Welchen Nutzen soll das Vorhaben stiften? Wie steht das Vorhaben im Gesamtkontext zur Mission und Vision der Organisation? Von wo nach wo möchte man was verändern? Was passiert, wenn sich etwas ändert? Was passiert, wenn sich nichts ändert? Was wäre eine ideale angestrebte Zielsituation? Was wäre aber auch ein Albtraum-Szenario, das es unbedingt zu vermeiden gilt?

2. Keine Beachtung von Kulturen und Werten

Häufig werden Ideen und Konzepte, die in anderen Unternehmen erfolgreich umgesetzt wurden oder die gerade im Management im Trend liegen, recht unreflektiert übernommen. Doch passt das angestrebte Konzept zur eigenen Unternehmenskultur und zu den Werten, für die das Unternehmen steht oder stehen will? Ist der Change ggf. auch ein Kulturwandel? Oder braucht es gar einen Kulturwandel, um den Change überhaupt zu ermöglichen?

In der Praxis wird speziell das Beachten von Werten und der Kultur völlig unterschätzt. Dem Management-Vordenker Peter Drucker wird das Zitat zugesprochen: „Culture eats strategy for breakfast“. Wenn die Change-Strategie nicht zur Kultur passt, wird sie früh scheitern. Ebenso wird die Historie des Unternehmens oft vergessen oder ausgeblendet – diese ist aber elementarer Bestandteil einer Kultur. Woher kommt die Organisation, was zeichnet sie aus, was hat sie erfolgreich oder erfolglos werden lassen? Was hat sich bewährt, was nicht? Welche Zöpfe gilt es abzuschneiden, welche heiligen Kühe müssen aber unangetastet bleiben oder welche Rituale und Erfolgsrezepte müssen in die neue Welt überführt werden? Welche Wertesysteme sind vorrangig, welche müssen noch entwickelt werden? Dafür ist das Modell der 9 Levels of Value Systems ein pragmatisches und wissenschaftlich fundiertes Instrument für die Begleitung und Lenkung von Veränderungsprojekten.

3. Schlechte Kommunikation

Durchweg schlechte Kommunikation ist einer der zentralsten Aspekte in jedem sozialen System und im Miteinander zwischen Menschen. Das gilt noch intensiver in und während, aber auch nach Change-Projekten. Was wird mit dem Change angestrebt? Was haben die Beteiligten für einen Nutzen davon? Für wen hat der Change Vorteile? Welche Schritte und Themen werden wann angegangen? Wie sind die Zwischenstände? 

4. Fehlende Klarheit und Transparenz

Klarheit und Transparenz sind im Change elementar wichtig – durch zielgerichtete Kommunikation kann viel Vertrauen aufgebaut werden. Wer will, dass die Mitarbeiter mitdenken, darf sie nicht dumm sterben lassen. Welche Kommunikationskanäle würden sich eignen? Zu häufig wird auf den einfachen E-Mail-Kanal gesetzt – das ist aber fahrlässig und meist nicht zielführend. Persönliche Informationen in Meetings und Versammlungen sind wichtig, aber auch präsente Aushänge in Fluren oder Kantinen werden oft besser beachtet als Mails vom Vorstand.

5. Keine Beteiligung der Betroffenen

Einbeziehen ist ein Schlüssel zum Erfolg, der ein gutes Händchen zur Auswahl und zum Timing braucht. Wer ist vom Veränderungsprojekt betroffen – mittelbar und unmittelbar? Wer sind die systemrelevanten Persönlichkeiten? Das müssen nicht hierarchisch hochstehende Personen sein, häufig sind es Rezeptionspersonal, Hausmeister, Techniker oder Assistentinnen. Sie alle können als Meinungsführer im Veränderungsvorhaben eingebunden werden, denn sie sind oft klassische Kommunikationsknotenpunkte im Unternehmen. Ebenso systemrelevant sind Personen mit Expertenwissen, die eben an der Basis der Tagespraxis Veränderungsprojekte oft schnell einschätzen und beurteilen können, wie und warum diese vor allem scheitern könnten. Diese Zielgruppe ist meist sehr gut als Querdenker und Hinterfrager einzubinden. Wie können Führungskräfte auf allen Ebenen integriert werden? Manche Führungskräfte tun sich schwer, ihre Mitarbeiter für den Change zu begeistern, weil sie ihn schlicht selbst nicht verstehen. Manche torpedieren Veränderungsprojekte oft bewusst oder manchmal auch unbewusst, weil ihnen Informationen fehlen. Wieder »Futter« für die Todsünde der schlechten Kommunikation. Komplexität wird unterschätzt. Mal schnell eine Veränderung durchziehen – das wäre der Wunsch von vielen Entscheidungsträgern. Doch Veränderungen sind in sozialen Gefügen wie Unternehmen oder auch Verwaltungseinheiten weder einfach noch schnell. Wir haben es hier nicht mit einer komplizierten (aber klar berechenbaren) Maschine zu tun, sondern mit einem komplexen Geflecht aus Menschen, Beziehungen, Interessen und Wechselwirkungen.

Die Auswirkungen von vordergründig lokalen Veränderungen sind meist viel weitreichender, als die Entscheider wahrhaben wollen. Wer oder was ist mittelbar oder unmittelbar vom Change betroffen – auch außerhalb der Organisation? Ein klassisches Beispiel hierfür sind die Auswirkungen von Bundeswehrstandortschließungen auf die Kommunen und Städte sowie den lokalen Einzelhandel. Oder in Unternehmen ein gern unterschätztes Thema ist die Einführung von SAP oder von neuen Bezahlmodellen. Es muss ein ganzheitlicher Ansatz gefahren werden, in dem auch keine Details vergessen werden, die aber ein Gesamtsystem zum Stillstand bringen können. Die Komplexität von Veränderungsprojekten lässt sich über die sieben Gestaltungselemente von Organisationen steuern – die sogenannten »7S«. Bei diesen ursprünglich aus dem Englischen verwendeten sieben Begriffen, die alle mit dem Buchstaben S beginnen, wird zwischen harten und weichen Elementen unterschieden. Die harten Gestaltungselemente umfassen eher klassische Bereiche der Organisation: Strategie, Struktur sowie Systeme/ Prozesse. Die weichen Elemente hingegen sind die Gestaltungselemente einer Organisation, die in deren menschlichem Bereich liegen. Diese sind Werte (shared values), Führung und Kultur (style), Mitarbeiter (staff) sowie die Fähigkeiten der Organisation (skill). Gerade diese weichen Bereiche werden vom Top-Management meist unterschätzt, ignoriert oder übersehen.

6. Irrglaube an 100% Planbarkeit

Das Grundwesen von Veränderungsprojekten ist eben die Veränderung – daher kann ein Change-Projekt nie vollständig geplant und dann wie in der Projektmanagement-Methode mit der Wasserfalltechnik durchgezogen werden. Gerade im Change gibt es »moving targets«, also bewegliche Ziele, die es immer wieder zu justieren gilt. Kein Change läuft genauso wie der andere, daher ist es Kernaufgabe des Change-Teams, intensiv mit allen Sinnen wahrzunehmen und entsprechende Maßnahmen oder Handlungen abzuleiten und durchzuführen. Pläne, die gestern noch sinnvoll waren, sind vielleicht morgen völlig obsolet oder erweisen sich als nicht zielführend. Wachsamkeit und agile Steuerungskompetenz sind erforderlich. Agil ist aber nicht – wie es so oft gemacht wird – gleichzusetzen mit spontan & planlos. 

7. Erfolge werden nicht gefeiert

Change bedeutet meist viel Arbeit und klassischerweise kommt dieses Paket zum Tagesgeschäft noch oben drauf. D. h., für die Beteiligten ist der Change oft im ersten Schritt eine persönliche Verschlechterung, weil damit ein größerer Aufwand verbunden ist. Daher sollte das Feiern am Ende eines Veränderungsprojektes auch nicht vergessen werden. In vielen Unternehmen wird das vor lauter »das nächste Projekt steht schon an« vergessen oder einfach abgesagt. Das müssen keine berauschenden Champagner-Partys sein, aber einen Moment innehalten und den Personen für ihre Mühe, ihren Mut und ihre Arbeit danken – das sollte drin sein. Zum Start von Veränderungen sind die sogenannten Quick- Wins auch nicht zu vergessen. Diese schnellen Erfolge sollten gefeiert und kommuniziert werden, denn sie können symbolisch den Erfolg des Vorhabens zeigen und die Menschen dafür motivieren. Change Management ist kein Hexenwerk – es ist vielmehr eine solide, aber komplexe Aufgabe, der man sich annehmen und im Unternehmen auch die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung stellen muss. Die Wirtschaftswelt ist aktuell stärker von Veränderungen geprägt als jemals zuvor und die Zyklen der Veränderungen werden vermutlich noch kürzer werden. Umso relevanter ist es, dass sich Unternehmen und vor allem Führungskr.fte viel mehr mit dem Change Management und speziell der soften Seite, nämlich den Menschen im Change, beschäftigen. Die sieben Todsünden sind absolut vermeidbar, wenn man sich mit ihnen beschäftigt. Ansonsten sagen Mitarbeiter schnell: „Change ist doof!“

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Literaturempfehlungen

 Krumm, R.; Change ist doof! Warum sich Menschen gegen Veränderungen wehren, Bicken, Werdewelt Verlag, 2016

Krumm, R.; 9 Levels of Value Systems, Bicken, Werdewelt Verlag, 2. Auflage, 2015

Bär-Sieber, M.; Krumm, R. Wiehle, H.; Unternehmen verstehen, gestalten, verändern